Demokratie mit Nebenwirkungen (aktualisiert)

Normalerweise sitze ich samstagabends gemütlich auf dem Sofa, ein Buch in der Hand und das Glas Roten in Griffweite. Wenn mich dann etwas in die Kälte hinaus treibt, ist es für gewöhnlich unsere Bracke Ella.

Am vergangenen Samstagabend gab es einen anderen Grund: Begleitet von tausenden Bürgern habe ich meinen Unmut über eine orientierungslose Politik bekundet, die uns seit nunmehr zwei Jahren zuweilen völlig sinnfreie Opfer abverlangt. Die Obrigkeit gesteht uns nur noch einen Hauch von Freiheit zu, sozusagen in homöopathischen Dosen! Und nur gegen Auflagen – quid pro quo. So läuft das mit mündigen Bürgern aber nicht auf ewig und drei Tage, zumindest nicht ohne Widerspruch! Dagegen darf man friedlich protestieren. Vielen passt das nicht, sie halten andere Meinungen ganz schlecht aus: Wozu ist man schließlich in der Mehrheit, wenn man Minderheiten nicht unterdrücken darf! Frankreichs Präsident war in dieser Frage ganz offen: Er wolle Ungeimpfte solange schikanieren, bis sie sich impfen ließen – auch gegen ihren erklärten Willen!

Nun kann man Menschen schlecht den Vorwurf machen, sie machten von einem Grundrecht Gebrauch. Also versucht man es mit der moralischen Keule: Da gingen ja wohl auch Nazis mit! Dieser Logik folgend müssten alle Redlichen umgehend aus der römisch-katholischen Kirche austreten, wollten sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen, dass sie mit ihren Kirchensteuern Pädophile und deren Beschützer unterstützten!

Ich habe zwar keine Gesinnungsüberprüfungen durchgeführt, aber in meinem Bereich habe ich keine extremistischen Parolen gehört. Es ist unlauter, Menschen pauschal vorzuverurteilen und ihnen zu unterstellen mit Nazis gemeinsame Sache zu machen, nur weil sie ein Grundrecht in Anspruch nehmen. Darauf zu verzichten und Feinden unserer Demokratie den Protest zu überlassen, bedeutete viel eher, einem irgendwie gearteten Faschismus, ob von links oder von rechts, Vorschub zu leisten! Wenn lebensrettende Medikamente, z.b. Immunsuppressiva nach Organverpflanzungen, unerwünschte Nebenwirkungen haben, sollte man dann auf deren Einnahme verzichten? Mitnichten, jeder Betroffene darf selber darüber befinden, in welchem Ausmaß er bereit ist, diese Risiken einzugehen. Auch bei der Demokratie besteht latent das Risiko von Nebenwirkungen, man erkennt es deutlich bei den Parteien der Regierungskoalitionen. Da werden für die Teilhabe an der Macht und politischen Karrieren viele Kröten (bittere Medizin) geschluckt. Dass bei friedvollen Protesten auch Menschen mitlaufen, die Gegner der Demokratie sind und die tumbe Parolen grölen, kann unser Staat aushalten. Das sind die Nebenwirkungen der Demokratie, die man in Kauf nehmen muss.

Zurück zum Ausgangspunkt: Am Samstag war ich das erste Mal in meinem Leben auf einer Demo. Wenn ich meine Behaglichkeit gegen einen stupiden Marsch in einer Menschenmenge eintausche, dann wird’s ernst! Anlass meines persönlichen Turnarounds war ein TV-Talk in der letzten Woche: Ich wurde dort in einer Statistik missbraucht, die so nicht stimmt! Zahlenjongleure behaupteten, ca. 80 Prozent der Bevölkerung seien geimpft und hätten folglich mit einem Impfzwang kein Probem!  Diese Schlussfolgerung ist so falsch wie manipulativ! Die Motivation für eine Impfung hat nichts mit der Haltung zu einem geplanten Impfzwang zu tun. Denn obschon vollständig geimpft, bin ich dennoch gegen eine Impfpflicht! Weil diese „Immunisierungen“ eben keine sind, anders als die Impfungen gegen Pocken, Polio, Masern: sie sind weder von Dauer, noch ist sicher, ob und in welchem Umfang sie gegen Mutationen schützen. Alle Zahlen sprechen dafür, dass Mutationen sich zwar schneller verbreiten, aber harmloser verlaufen als vorherige Varianten.

Gegen die staatliche Willkür, eine umstrittene Verabreichung von Seren mit Notzulassungen zwangsweise durchzusetzen, habe ich, wie so viele, am Samstag demonstriert. Ab 18 Uhr in Reutlingen. Friedlich! Mein Rat: jeder mache sich sein eigenes Bild und stehe auf, wenn etwas aus der Bahn gerät. Gewaltlos, so wie ich! Dann klappt das auch mit der Demokratie und der Wahrheit.

 

Reutlinger Nachrichten, 5. Feb. 2022

 

GEA v. 5.2.22

 

GEA v. 5.2.22

 

Beiß die Zähne zusammen, Karl! Das kannst du aushalten!
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